Weg mit den Vorurteilen!

In Deutschland leben rund 100.000 Kinder und Jugendliche in Wohngruppen und Heimen. Viele von ihnen trauen sich jedoch nicht, darüber zu sprechen. Sogenannte „Heimkinder“ sind schnell Außenseiter. Sie werden seit Jahrzehnten stigmatisiert und mit Vorurteilen konfrontiert. Aber darüber spricht niemand. Die Initiative »Wir sind doch keine Heimkinder« möchte dieses Tabu brechen und Vorurteile abbauen. Sie lädt alle ein, dabei mitzumachen: Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Diese These hat der Leiter des Geschäftsbereiches Erziehung & Bildung Michael Mertens vor drei Jahren in den Raum gestellt. Viele Mitarbeitende aus der Stiftung stimmten ihm zu. Alle hatten das Bedürfnis, dieses Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und dem Stigma Heim etwas entgegenzusetzen.

Die Frage war nur: Wie? Die Antwort: Indem Kinder aus den Wohngruppen heute und ehemalige Heimkinder selber erzählen: Welchen Vorurteilen begegnen sie? Wie gehen sie damit um? Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen?

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Alle haben ja immer so eine Horrorvorstellung.

Leonora lebt in einer Wohngruppe im Kreis Mettmann.

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Die denken, dass wir hier geschlagen werden.

Manuel lebt in einer Wohngruppe im Kreis Mettmann.

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Heimkinder galten früher als schwererziehbar und kriminell.

Ilse Fetzer lebte in den 60er Jahren in den Düsselthaler Anstalten.

Ein Aufruf zum Umdenken

Kinder und Jugendliche aus den Wohngruppen der Graf Recke Stiftung, ehemalige »Heimkinder« und Mitarbeiter/innen der Stiftung haben sich bei einem Filmprojekt zum Thema »Heim« kennengelernt. Gemeinsam haben sie die Initiative »Wir sind doch keine Heimkinder« gegründet. Die Initiative ist ein Aufruf zum Umdenken. Damit das gelingen hat, finden Interessierte auf dieser Seite Informationen und Ansprechpartner.

Lehrer können sich von unabhängigen Experten zusammengestelltes Lehrmaterial herunterladen und das Thema im Unterricht aufgreifen. Journalisten, Weiterbildungseinrichtungen, Kirchengemeinden, Jugendeinrichtungen, Bürgervereine … sie alle erhalten hier Informationsmaterial, um das Thema aufgreifen zu können.

Mehr zum Thema »Umdenken«

»Nicht nur die Gesellschaft, auch die Einrichtungen selbst müssen sich mit dem Thema auseinander setzen und sich mehr öffnen.«

Michael Mertens, Leiter Geschäftsbereich Erziehung & Bildung in der Graf Recke Stiftung

»Ich sage nicht, wo ich wohne. Ich habe Angst, dann ausgeschlossen zu werden.«

Leonie lebt in einer Wohngruppe in Hilden.

»Ich finde es respektlos, dass die Leute so viele Vorurteile uns gegenüber haben. Dagegen sollten wir etwas unternehmen.«

Alex ist der Vorsitzende des Kinder- und Jugendrates der Graf Recke Stiftung.

Reden statt Schweigen

Die Initiative »Wir sind doch keine Heimkinder« möchte auch Kinder und Jugendliche aus den Wohngruppen ermutigen und befähigen, mehr über ihren Alltag zu sprechen. Dabei ist auch die Unterstützung durch die Pädagoginnen und Pädagogen wichtig.

Im Rahmen des Filmprojekts wurde deutlich, dass die Kinder und Jugendlichen oft verschweigen, wo sie leben und wie sie leben. Aus Scham. Und aus Angst ausgeschlossen zu werden. Auch hier möchte die Initiative Impulse setzen, um das zu ändern.

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»Ich sollte da ja ein anständiger Junge werden. Aber ich bin da schlimmer geworden.«

Herbert Schneider kam Ende der 50er Jahre in die Düsselthaler Anstalten.

»Ich habe nie jemandem erzählt, dass ich im Heim war. Auch nicht meinem Mann oder meinem Sohn.«

Ilse Fetzer lebte in den 60er Jahren in den Düsselthaler Anstalten.

Die Geschichte bewältigen

2006 erschien das SPIEGEL-Buch »Schläge im Namen des Herren«. Seither ist in der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass »Heimkinder« bis weit in die 70er/80er Jahre hinein nicht nur Fürsorge erfahren, sondern auch unter Gewalt und Missbrauch gelitten haben. Viele Betroffene sprechen nicht darüber. Aus Scham und aus Schmerz. Die Jugendhilfe­einrichtungen tun sich wiederum schwer, offen den Dialog mit Ehemaligen zu suchen.

Sie fürchten, mit Vorwürfen konfrontiert zu werden und negative Schlagzeilen in der Presse. Für die Initiative »Wir sind doch keine Heimkinder« steht fest: Die Erfahrungen aus der Vergangenheit müssen aufgearbeitet werden. Gemeinsam. Die Initiative bietet auch hier Unterstützung an.

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  1. »Ich sollte da ja ein anständiger Junge werden. Aber ich bin da schlimmer geworden.«

    Herbert Schneider kam Ende der 50er Jahre in die Düsselthaler Anstalten.

  2. »Ich habe nie jemandem erzählt, dass ich im Heim war. Auch nicht meinem Mann oder meinem Sohn.«

    Ilse Fetzer lebte in den 60er Jahren in den Düsselthaler Anstalten.

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2006 erschien das SPIEGEL-Buch »Schläge im Namen des Herren«. Seither ist in der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass »Heimkinder« bis weit in die 70er/80er Jahre hinein nicht nur Fürsorge, sondern auch unter Gewalt und Missbrauch gelitten haben. Viele Betroffene sprechen nicht darüber. Aus Scham und aus Schmerz. Die Jugendhilfe­einrichtungen tun sich wiederum schwer, offen den Dialog mit Ehemaligen zu suchen.

Sie fürchten, mit Vorwürfen konfrontiert zu werden und negative Schlagzeilen in der Presse. Für die Initiative »Wir sind doch keine Heimkinder« steht fest: Die Erfahrungen aus der Vergangenheit müssen aufgearbeitet werden. Gemeinsam. Die Initiative bietet auch hier Unterstützung an.

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